Die Neutralisationsanlage in der Heiztechnik
Bei Brennwertheizungen entsteht aggressives Kondensat. Das muss über die häuslichen Abwasserleitungen abgeleitet werden. Das Abwasser darf aber natürlich nicht die Leitungen und Kanäle schädigen. Darum müssen Sie es in manchen Fällen neutralisieren, bevor Sie es ins Abwasser einleiten. Wann eine Neutralisationsanlage Pflicht ist, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Neutralisation?
- Warum spielt die Neutralisation in der Heiztechnik eine Rolle?
- Wann besteht die Pflicht, eine Neutralisationsanlage einzubauen?
- Wie funktioniert eine Neutralisationsanlage?
- Worauf sollten Sie bei der Auswahl einer Neutralisationsanlage achten?
- Was kostet die Neutralisationsanlage?
Was ist Neutralisation?
Unter Neutralisation verstehen Chemiker die chemische Reaktion zwischen gleichen Teilen von Säuren und Basen (oder auch Laugen genannt). Diese chemische Reaktion führt dazu, dass sich die Wirkung von Säure und Base gegenseitig aufhebt. Es entsteht eine sogenannte neutrale, wässrige Lösung. Eine Neutralisationsanlage macht also aus aggressiven Stoffen ein unschädliches Gemisch.
Warum spielt die Neutralisation in der Heiztechnik eine Rolle?
Moderne Brennwertgeräte kondensieren das Wasser aus dem Abgas, um daraus zusätzlich Wärme zu gewinnen. Sie steigern dadurch die Effizienz der Heizung merklich. Im Abgas der Verbrennung von Öl und Gas befinden sich aber immer säurebildende Schadgase wie Stickoxide, Chlorwasserstoff oder Schwefeldioxide. Auch das Hauptprodukt der Verbrennung – das ungiftige Kohlendioxid – bildet Säure. Das kennen Sie vielleicht aus Ihrem Haushalt, wenn Sie Sodawasser selbst herstellen. Dabei leiten Sie das Gas Kohlendioxid in Wasser ein und stellen so ein kohlensäurehaltiges Getränk her.
Kondensat ist stark säurehaltig
All diese säurebildenden Stoffe führen dazu, dass der pH-Wert des Kondensats von Gas-Brennwertgeräten bei 2,8 bis 4,9 liegt. Verbrennt die Heizung schwefelarmes Heizöl, entsteht ein Kondensat mit einem pH-Wert von 2,2 bis 4,2. Noch saurer ist es bei schwefelhaltigem Heizöl mit einem pH-Wert von 1,8 bis 3,7. Das liegt an dem höheren Anteil an Schwefel im Brennstoff. Der reagiert zu Schwefelsäure.
Was ist der pH-Wert?
-
Der pH-Wert ist in der Chemie das Maß dafür, ob eine Flüssigkeit Säure- oder Laugeneigenschaften aufweist.
-
Reines Wasser ist neutral und hat einen pH-Wert von 7.
-
Bei Werten über 7 spricht man von Laugen oder Basen. Je größer der pH-Wert, desto stärker ist die Base.
-
Flüssigkeiten mit Werten unter 7 sind Säuren. Je kleiner der pH-Wert ausfällt, desto stärker ist die Säure.
Ätzende Säuren unschädlich machen
Nicht jede Säure ist gefährlich. Kohlensäurehaltiges Mineralwasser hat zum Beispiel einen pH-Wert von 5,5 und ist völlig unschädlich. Starke Säuren sind aber alles andere als harmlos. Sie verätzen Dinge, mit denen sie in Kontakt kommen und greifen zum Beispiel Materialien von Rohren und Dichtungen an. Auch typische Abwasserrohre aus Beton gehören zu den gefährdeten Materialien. Darum ist es wichtig, das Kondensat der Heizungsanlage zu neutralisieren.
Dafür brauchen Sie aber in der Regel keine Neutralisationsanlage. Das häusliche Abwasser enthält Seife und Reinigungsmittel und ist daher eine Lauge. Es neutralisiert automatisch die Säure im Heizungskondensat, wenn sich dieses mit dem Abwasser im Kanal vermischt. Dafür muss aber ausreichend viel Abwasser im Verhältnis zum Kondensat zur Verfügung stehen. Experten gehen bei einem Verhältnis von 20 Teilen Abwasser zu einem Teil Kondensat von einer sicheren Neutralisation aus.
Wann besteht die Pflicht, eine Neutralisationsanlage einzubauen?
Ist eine sichere Neutralisation durch das häusliche Abwasser nicht gewährleistet, muss eine Neutralisationsanlage diese Aufgabe übernehmen. Ihr lokaler Abwassernetzbetreiber kann die Anforderungen festlegen, die für das Einleiten von Abwasser in sein Kanalnetz gelten. Daher kann er auch Vorgaben für den Einsatz einer Neutralisationsanlage machen.
In der Regel gelten dabei die Anforderungen, die die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) in ihrem Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 251 festgelegt hat. Dort ist geregelt, dass normale Heizungsanlagen von Einfamilienhäusern bis 25 kW Leistung keine Neutralisationsanlage benötigen. Große Heizungsanlagen mit mehr als 200 kW Leistung unterliegen generell einer Pflicht zur Neutralisation.
Neutralisationspflicht gemäß ATV-DVWK-A 251
Nennwärmeleistung
|
Gas
|
Heizöl
|
schwefelarmes Heizöl
|
---|---|---|---|
< 25 kW
|
Nein 1), 2)
|
Nein 1), 2)
|
Ja
|
25 bis 200 kW
|
Nein 1), 2), 3)
|
Nein 1), 2), 3)
|
Ja
|
größer 200 kW
|
Ja
|
Ja
|
Ja
|
Eine Neutralisation ist dennoch erforderlich
1) bei Ableitung des häuslichen Abwassers in Kleinkläranlagen.
2) bei Gebäuden und Grundstücken, deren Entwässerungsleitungen die Materialanforderungen nicht erfüllen.
3) bei Gebäuden, die die Bedingungen der ausreichenden Vermischung nicht erfüllen.
Die Voraussetzung für eine Befreiung von der Neutralisationspflicht: Alle Abwasserrohre und Dichtungen müssen säurefest sein. Auch größere Brennwertanlagen bis 200 kW Leistung sind bei säurefesten Abwasserleitungen von der Neutralisationspflicht befreit. Diese Anlagen müssen aber zusätzlich noch das Mischungsverhältnis 1 zu 20 von Abwasser zu Kondensat gewährleisten.
Festbrennstoffkessel wie Pelletanlagen sind in der aktuellen Fassung des Arbeitsblatts ATV-DVWK-A 251 noch nicht erfasst. Es soll aber eine Neufassung erscheinen. Die legt auch für diese Kesselarten Vorgaben für eine Neutralisationspflicht fest1. Wärmepumpen brauchen generell keine Neutralisationsanlagen. Ihre Wärmeerzeugung basiert nicht auf einem Verbrennungsprozess.
Kleinkläranlagen erfordern immer eine Neutralisation
-
Auch wenn die Voraussetzungen alle erfüllt sind, gibt es zwei Ausnahmen, bei denen doch eine Neutralisationsanlage zum Einsatz kommen muss.
-
Erstens: Die Befreiung von der Pflicht gilt nur für schwefelarmes Heizöl. Wenn Sie schwefelhaltiges Heizöl verbrennen, müssen Sie immer eine Neutralisationsanlage einbauen.
-
Zweitens: Wenn Sie eine Kleinkläranlage betreiben, müssen Sie ebenfalls immer eine Neutralisation vorsehen. Denn das saure Kondensat kann die Mikroorganismen in der Kläranlage schädigen. Dann funktioniert die Reinigung nicht mehr richtig.
Wie funktioniert eine Neutralisationsanlage?
Die Neutralisationsanlage für die Heiztechnik besteht aus nur wenigen Bestandteilen:
-
Das Kondensat fließt durch säurebeständige Kunststoffrohre zunächst in einen Absetzbereich. In diesem können sich Verunreinigungen sammeln.
-
Anschließend strömt das Kondensat durch einen Aktivkohlefilter. Dieser bindet Ruß, Halogenverbindungen, Zunder und Korrosionsbestandteile.
-
Dann folgt die eigentliche Neutralisation: Das geschieht in einer Kammer, die mit einem basischen Granulat gefüllt ist. Als Granulate kommen verschiedene basische Stoffe wie Magnesiumoxid, Kalziumoxid oder Kalziumcarbonat zum Einsatz.
-
Diese reagieren mit der Säure im Kondensat zu unschädlichen Stoffen wie Gips oder Bittersalz. Der pH-Wert des Kondensats steigt dann auf den unschädlichen Wert von 6,5 an.
-
Die chemische Reaktion verbraucht dabei langsam das Granulat. Einmal im Jahr sollten Sie daher das alte Granulat durch frisches ersetzen.
-
Sie möchten überprüfen, ob das Granulat noch ausreichend neutralisiert? Den pH-Wert des neutralisierten Kondensats können Sie auch mit einem einfachen pH-Teststreifen aus der Apotheke prüfen. 6,5 sollte das Wasser dabei nicht unterschreiten.
Heizungsbauer finden
Ein Heizungsbauer kann Sie beraten, ob Sie eine Neutralisationsanlage benötigen – und sie gegebenenfalls gleich installieren. Jetzt Installateur-Suche nutzen!
Worauf sollten Sie bei der Auswahl einer Neutralisationsanlage achten?
Bei der Auswahl einer Neutralisationsanlage sollten Sie vor allem auf die Leistungsfähigkeit achten. Wenn die Heizung 1 Kubikmeter Erdgas verbrennt, entsteht ungefähr 1,5 Liter Kondensat. Über das Jahr gesehen kommen da je nach Gasverbrauch einige Tausend Liter zusammen. Diese Menge muss die Neutralisationsanlage verkraften können. Bei zu kleinen Neutralisationsanlagen droht ein Rückstau. Außerdem müssen Sie dann sehr oft das Granulat wechseln.
Die Auswahl der Neutralisationsanlage hängt auch von der Art des Brennstoffs ab. Bei besonders starken Verunreinigungen empfehlen Experten sogar eine Vorreinigung des Kondensats. Gas-Brennwertgeräte verbrennen sauberer als Öl-Brennwertkessel. Bei ihnen kann unter Umständen die Vorreinigung mit Absetzbecken und Aktivkohlefilter entfallen.
Was kostet die Neutralisationsanlage?
Der Preis hängt natürlich von der Ausstattung ab. Einfache Neutralisationsanlagen kosten rund 250 Euro. Bei aufwendigeren Geräten zur Abwasserneutralisation müssen Sie mit bis 500 bis 1.500 Euro rechnen.
Hinzu kommen die Kosten für das Granulat. Die liegen im Jahr bei etwa 50 bis 60 Euro bei einem typischen Brennstoffverbrauch.
Im Zweifel lieber die Abwasserneutralisation wählen
Mit einer Neutralisation des Kondensats sind Sie auf der sicheren Seite. Die Neutralisationsanlage macht ätzende Säure unschädlich. So verhindert sie Schäden an den Abwasserleitungen und deren Dichtungen. Und das können Schäden sein, die richtig ins Geld gehen.